Recht vollmundig rechtfertigt der baden-württembergische Justizminister Goll seine Initiative gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Doch der – recht kurze – Gesetzentwurf hat so einige handwerkliche Fehler.
So soll er lauten, der neue Paragraph gegen Genitalverstümmelung:
§ 226a StGB – Genitalverstümmelung
(1) Wer die äußeren Genitalien einer Frau durch Beschneidung oder in anderer Weise verstümmelt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
Dass männliche Personen von dieser Regelung nicht profitieren, wird vielerorts bereits kritisiert. Aber durch recht unscharfe Formulierungen verliert die Regelung an Gewicht. Was genau ist unter Verstümmelung zu verstehen? Im Allgemeinen ist eien Verstümmelung eine “als nachteilig bewertete, radikale Veränderung der Gestalt durch äußere Einwirkung” (Quelle: Wikipedia). Wer legt nun aber fest, was nachteilig ist? Die Frau? Der Richter?
Aber viel wichtiger ist doch die Frage, was eine Frau ist. Häufig werden 10- oder 12jährige Mädchen durch Beschneiderinnen verstümmelt. Sind diese Mädchen aber schon Frauen im Sinne des Strafgesetzbuches? Und weil auch Auslandstaten bestraft werden sollen, wer holt die afrikanischen oder asiatischen Beschneiderinnen nach Deutschland, um sie hier vor Gericht stellen zu können? Auf welcher Grundlage überhaupt, denn das Heimatland wird sie wohl kaum ausliefern. Und warum soll es keine Vorschrift geben, welche die Anstiftung oder Beihilfe unter Strafe stellt? Sollen die – doch in der Regel greifbaren – Eltern straffrei bleiben?
Da wird wohl das letzte Wort noch nicht gesprochen sein – oder die Idee verschwindet bis zum nächsten Wahlkampf wieder in der Versenkung.
Update: Mehr dazu auch beim Femokratieblog.
8 thoughts on “Es gibt nichts, was ernsthaft gegen unsere Bunderatsinitiative spricht”
9. Dezember 2009 at 11:36
Die berechtigte Kritik an diesem aktionistischen Strafrechts-Vorstoß greift noch viel weiter und wird ausgerechnet mit Direktheit von Organisationen geäußert, die sich für wirklichen Schutz der Kidner vor Genitalverstümmelung einsetzen:
http://www.die-anstifter.de/?p=2644
“Die strafrechtliche Praxis bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass TäterInnen, die ihre Töchter verstümmeln lassen, nach geltendem Recht nicht angemessen bestraft werden könnten. Schließlich wurde bislang kein einziges Strafverfahren geführt!
Die Gründe dafür liegen jenseits des Strafrechts und es ist erstaunlich, dass sie ausgerechnet von den JustizministerInnen nicht benannt werden:…Die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die ärztliche Schweigepflicht, führen zu einem staatlich legitimierten Schutz der TäterInnen, denn ÄrztInnen dürfen aufgrund ihrer Schweigepflicht festgestellte Genitalverstümmelungen an Kindern nicht zur Anzeige bringen. Die i.d.R. minderjährigen Opfer werden schutzlos der Verstümmelung überlassen, z.B. durch ungehinderte Reisen in die Risikoländer.”
Die Probleme liege ergo ganz woanders.
Und eine Frage ist ebenfalls ungeklärt: Wie sieht es mit den ganzen sogenannten “Schönheits-OPs” aus, bei denen deutsche Ärzte jungen Mädchen oder Frauen mit grottenschlechtem Selbstbild auf “eigenen Wunsch” die Schamlippen wegsäbeln und sich damit die Konten füllen? z.B. http://www.sensualmedics.com/ Bedeutet dies das AUS für einen aufstrebenden Berufszweig mit einem selbst-geschaffenen Millionen-Markt?
9. Dezember 2009 at 17:24
“Und eine Frage ist ebenfalls ungeklärt: Wie sieht es mit den ganzen sogenannten “Schönheits-OPs” aus, bei denen deutsche Ärzte jungen Mädchen oder Frauen mit grottenschlechtem Selbstbild auf “eigenen Wunsch” die Schamlippen wegsäbeln und sich damit die Konten füllen? z.B. http://www.sensualmedics.com/ Bedeutet dies das AUS für einen aufstrebenden Berufszweig mit einem selbst-geschaffenen Millionen-Markt?”
Das ganze würde ich unter dem Thema Körpermodifikation wie Piercinngs, Tätowierungen Brustvergrösserungen zusammenfassen. Sobald jemand über 18 ist kann er mit seinem Körper machen was er will.
Übrigens steht auf der HP folgendes:
”
# Wir operieren Jugendliche nur bei ernsthaften funktionellen Einschränkungen.
# Bei zu hohen Erwartungen, nicht verbesserbarem Aspekt oder nicht nachvollziehbarem Operationswunsch raten wir von dem Eingriff ab.
# Nicht alles Machbare ist sinnvoll.
”
Unter anderem wird auch dort folgendes Angeboten:
”
Rekonstruktive Chirurgie im weiblichen Schambereich
Verletzungen, Tumore oder angeborene Variationen können die äußere weibliche Genitalregion entstellen. Durch Narben oder Verwachsungen nach Operationen oder Geburten können die Funktion und Empfindsamkeit beeinträchtigt werden. In weiten Teilen Afrikas werden noch heute traditionell “Beschneidungen” durchgeführt, die zu Verstümmelungen führen.
All diese Veränderungen können nur nach einer ganz persönlichen Diagnose individuell behandelt und korrigiert werden. Eine generelle Beschreibung des Eingriffs ist daher nicht möglich.
“
9. Dezember 2009 at 21:33
Ich kann nur noch einmal kommentieren, was ich bei einem Beitrag weiter unten schon einmal geschrieben habe:
Meiner Ansicht geht es bei diesem Vorstoß nicht darum, Mädchen besser vor Genitalverstümmelung zu schützen oder härtere Strafen zu ermöglichen. Es geht darum, weibliche Genitalverstümmelung abzukoppeln vom “normalen” Körperverletzungstatbestand, um Mädchen- und Jungenbeschneidung nicht mehr auf derselben Rechtsgrundlage bewerten zu müssen. Das würde nämlich früher oder später dazu führen, dass man entweder beides verbieten oder beides erlauben muss, und beide Optionen sind ja bekanntlich undenkbar…
Zitat von Kriddl:
“Die berechtigte Kritik an diesem aktionistischen Strafrechts-Vorstoß greift noch viel weiter und wird ausgerechnet mit Direktheit von Organisationen geäußert, die sich für wirklichen Schutz der Kidner vor Genitalverstümmelung einsetzen:”
Sie machten mich wirklich einen Moment glauben, dass es da draußen noch eine deutsche Organisation gibt, die sich “unserem” Ziel verschrieben hat, nämlich dem Schutz ALLER KINDER vor Genitalverstümmelungen. Dem ist aber leider nicht so und deshalb möchte ich Sie bitten, in Zukunft im Zusammenhang mit TABU e.V. vom “wirklichen Schutz der MÄDCHEN” zu sprechen. Das soll keine Kritik an TABU sein – die Spezialisierung des Engagements sei ihnen unbenommen – aber mit stört es einfach, wenn von “Kindern” und “Menschenrechten” die Rede ist, wenn in Wirklichkeit ausschließlich “Mädchen” und “Frauenrechte” gemeint sind.
Allerdings finde ich auch ehrlich gesagt diese Forderung von TABU ein bisschen gruselig:
“- Untersuchungspflicht, einschließlich regelmäßiger Überprüfung der genitalen Unversehrtheit (entweder nur für die Mädchen der genau bestimmbaren Risikogruppen oder für alle in Deutschland lebenden Kinder bis zum 18. Lebensjahr)”
Und das nicht nur deshalb, weil regelmäßige Pflichtuntersuchungen bei Jungen ein hohes Risiko einer Genitalverstümmelung nach sich ziehen…
@brokendream: Yep, ein/e Erwachsene/r darf mit seinem/ihrem Körper anstellen was er will. Und natürlich gibt es auch objektive Gründe, warum solche Eingriffe medizinisch sinnvoll oder notwendig sein können.
Die zunehmenden reinen Schönheits-OPs an weiblichen Genitalien sind aber dennoch problematisch, weil hier – vermutlich gezielt zur Erschaffung eines Marktes – Schönheitsideale und willkürliche Normmaße etabliert werden, die völlig an der Realität vorbei gehen. Z.B. gibt eine englische Ärztin, die solche OPs durchführt, an, dass Schamlippen nicht länger als 1,5-2 cm sein sollten. Ein anderes “Kriterium” ist, dass die Schamlippen nicht sichtbar hervorschauen dürfen, wenn die Frau steht.
Dadurch wird sehr vielen Frauen suggeriert, dass sie einen Schönheitsmakel haben oder gar missgebildet sind, obwohl sie völlig normal sind. Und Ärzte haben beliebigen Spielraum eine OP als “wegen Abnormalität erforderlich” oder einen OP-Wunsch als “nachvollziehbar” einzustufen.
Das ist genauso viel oder wenig verwerflich wie das in den USA übliche Vorhaut-”Bashing” – also dass die Vorhaut als ekelhaft, unhygienisch, eine Bazillenschleuder und Frauenabschreckung dargestellt wird, was viele intakte Jungen und Männer dazu treibt, eine Beschneidung zu “wollen”. Oder wenn deutsche Ärzte als OP-Indikation eine “zu lange Vorhaut” anführen.
Stardust
18. Dezember 2009 at 15:10
Diese Idealkörperfanatiker wird es wohl immer geben.
Ich überlege übrigens ob ich nicht einen Konter-Blog zum Metzgerforum erstellen soll. Ganz eifach um zu zeigen wie lächerlich es ist was da manchmal beschrieben und Behauptet wird.
20. Dezember 2009 at 23:25
“Diese Idealkörperfanatiker wird es wohl immer geben.”
Sicher, aber hier wird, um Geld zu verdienen, das unrealistische Idealkörperbild bewusst auf breite Gesellschaftsschichten übertragen, die normalerweise gar nichts damit am Hut hätten, aber nun total verunsichert sind und sich in ihren völlig normalen Körpern nicht mehr wohl fühlen.
“Ich überlege übrigens ob ich nicht einen Konter-Blog zum Metzgerforum erstellen soll. Ganz eifach um zu zeigen wie lächerlich es ist was da manchmal beschrieben und Behauptet wird.”
Gute Idee. Je mehr Gegenwind diese Truppe auch von unterschiedlichen (Web)Seiten bekommt, desto besser.
Stardust
6. März 2010 at 15:33
[...] Femokratieblog: Diskussion zum MANNdat-Brief zum Gesetzentwurf des Bundesrates zur Frauenbeschneidung [...]
13. Mai 2010 at 14:05
[...] auf der arabischen Halbinsel durchgeführt wird, als Genitalverstümmelung gilt und hierzulande als eigener Straftatbestand definiert werden soll, ist etwas, was sich viele Frauen in abgewandelter Form wünschen um [...]
17. Oktober 2010 at 0:05
Antidiskriminierungsstelle findet Genitalverstümmelung bei Jungen nicht schlimm
Vor ein paar Monaten habe ich, wie man unten genannter Antwort entnehmen kann, die Antidiskriminierungsstelle angeschrieben. Ich hatte mich darüber beklagt, das für weibliche Genitalverstümmelung ein zusätzlicher Strafparagraf eingeführt werden soll. Deswegen machte ich die Herren und Damen darauf aufmerksam, das in allen Ländern, wo weibliche Genitalverstümmelung stattfindet, die Jungen ebenfalls grausam beschnitten werden. Ein Beispiel habe ich in diesem Blog unter dem Titel “Penis Beschneidung kostet Leben” bereits eingestellt
http://femokratieblog.wgvdl.com/penis-beschneidung-kostet-leben/01-2010/
Als ich folgende Antwort von der Antidiskriminierungsstelle erhielt, verschlug es mir allerdings die Sprache – aber lest selbst.
und zwar hier http://femokratieblog.wgvdl.com/antidiskriminierungsstelle-genitalverstuemmelung-jungen-nicht-schlimm/10-2010/